Lesen: Abdul-Baha -- Erzählungen aus Seinem Leben


Erzählungen aus seinem Leben


Rat und Hilfe durch ´Abdu'l-Bahá
´Abdu'l-Bahá hielt immer mehr von Taten als von Worten. Er selbst war ein Beispiel dafür. Als wahres Vorbild rief Er die Gläubigen immer nur auf, etwas zu tun, was Er zuvor selbst getan hatte, und so zeigte Er den richtigen Weg.
In ´Akká hat ´Abdu'l-Bahá die ganze Zeit nur für das Wohl anderer Menschen gearbeitet. Er stand sehr früh auf und begann nach dem Tee sogleich mit Seiner Tätigkeit des liebevollen Dienens. Oft kam Er erst spätabends nach Hause, nach einem langen Tag ohne Rast und Ruh.
Gewöhnlich ging Er morgens aus Seinem Haus zu einem großen Raum, den Er auf der gegenüberliegenden Straßenseite gemietet hatte. Dort empfing Er Seine Gäste, denn jeden Tag kamen viele Menschen zu Ihm und baten Ihn um Hilfe.
Da kam beispielsweise ein Mann, der ein Geschäft eröffnen wollte, und bat ´Abdu'l-Bahá um Rat. Ein anderer bat um ein Empfehlungsschreiben, weil er sich für einen Regierungsposten bewerben wollte. Vielleicht kam auch wieder die Frau, deren Ehemann zu den Soldaten eingezogen worden war. Sie und ihre Kinder waren dadurch am Verhungern. Oder es kam jemand und erzählte Ihm, dass einer seine Kinder schlecht behandelt, und ein anderer seine Frau oder seine Schwester verprügelt.
´Abdu'l-Bahá schickte dann immer eine zuverlässige, tüchtige Person zur Unterstützung dieser armen Leute mit vor das Gericht. Auf diese Weise stellte Er sicher, dass ihnen Gerechtigkeit widerfuhr.
Aber es kamen auch andere, wichtige Gäste. Der Gouverneur, Geistliche und Gerichtsbeamte besuchten Ihn oft, allein oder in Gruppen, um ´Abdu'l-Bahás Rat zu erfragen. Er pflegte sie dann mit köstlichem Kaffee zu bewirten und über die jüngsten Nachrichten mit ihnen zu sprechen. Immer baten sie ´Abdu'l-Bahá um Seine Erläuterungen, Seinen Rat und Seine Meinung, denn sie wussten, dass Er stets liebevoll und weise, verständnisvoll und hilfsbereit war. Nach Gerichtsverhandlungen kam der Richter jedes Mai zu ´Abdu'l-Bahá und erzählte Ihm von den schwierigen Fallen, die er zu beurteilen hatte, denn er wusste, dass ´Abdu'l-Bahá Streitfragen immer gerecht regelte.
An manchen Tagen sah ´Abdu'l-Bahá Seine Familie kaum, so groß war die Menge der Menschen, die um Seine Hilfe baten. Besonders sorgte Er für die Kranken. Immer, wenn ein Kranker Ihn sehen wollte, besuchte Er ihn. Zu jedem Kranken sandte Er täglich einen Freund, der ihn fragte: "Wie hast du geschlafen? Wie geht es dir? Fehlt dir etwas?" Wenn die Kranken Arznei oder sonst etwas brauchten, so sorgte Er dafür, dass sie es bekamen. Nie ließ Er jemanden außer acht, immer war Er um etwas besorgt, nur nicht um Seine eigene Ruhe und Sein Wohl. Bekannte schickten ´Abdu'l-Bahá manchmal Süßigkeiten als Dank für Seine Hilfe, aber alle Leckereien, Früchte und Kuchen nahm Er in den Empfangsraum, um sie Seinen Besuchern anzubieten. Die Araber nannten Ihn: "Den Herrn der Großmut".
Wenn sich die Familie ´Abdu'l-Bahás zum Abendessen versammelte, kam es oft vor, dass jemand von einem Unglücklichen berichtete, der Hunger litt. Ohne zu fragen, packten dann alle ihr Essen in einen Korb und schickten es der Not leidenden Familie. Dabei lächelte ´Abdu'l-Bahá immer und sagte: "Uns macht das nichts aus. Wir haben gestern zu Abend gegessen und werden morgen wieder zu essen haben."


´Abdu'l-Bahá heilt die Kranken von ´Akká
´Abdu'l-Bahá wandte sowohl Arznei als auch geistige Heilmittel an. Weil es in ´Akká kein Krankenhaus gab, stellte Er einen Arzt ein namens Nikolaki Bey. Er bezahlte ihm ein Gehalt, damit er nach den ganz Armen sehen konnte, bat ihn aber, niemandem zu sagen, wer für diesen Dienst aufkomme. Doch immer kamen die Armen zuerst zu ´Abdu'l-Bahá.
Da war die arme, verkrüppelte Frau Na'um. Jede Woche kam sie zu ´Abdu'l-Bahá und erhielt ein kleines Geldgeschenk. Eines Tages kam auf geregt ein Mann und rief: "Meister, Meister, die arme Na'um hat die Masern und keiner geht mehr zu ihr. Was sollen wir tun?" ´Abdu'l-Bahá schickte sogleich eine Frau zu Na'um, die sie pflegen sollte. Er mietete ein Zimmer, ließ Bettzeug aus Seinem Hause bringen, bestellte den Arzt, sandte ihr zu essen und alles, was sie nötig hatte. Er achtete darauf, dass sie aufs Beste versorgt werde. Und als sie in Frieden starb, ordnete Er eine schlichte Beerdigung an und bezahlte deren Kosten.


Der neue Mantel
Während Seiner Gefangenschaft in ´Akká gab ´Abdu'l-Bahá Sein Bett sehr oft jemandem, der keines hatte. Auch lehnte Er es ab, mehr als einen Mantel zu besitzen. "Warum sollte ich zwei Mäntel haben, wenn es so viele Menschen gibt, die keinen besitzen", meinte Er.
Einmal sollte ´Abdu'l-Bahá den Gouverneur von ´Akká empfangen. Seine Frau meinte, Sein alter Mantel sei für diesen bedeutsamen Besuch nicht mehr gut genug. Sie wünschte sehr, dass ´Abdu'l-Bahá einen besseren Mantel trüge. Er aber merkte nie, was Er trug, solange nur die Kleidung sauber war. So überlegte ´Abdu'l-Bahás Frau, was sie tun könnte.
Schließlich nahm sie sich vor, einen neuen Mantel für Ihn nähen zu lassen. Am Tage des Besuches würde sie Ihm den neuen anstelle des alten Mantels bereitlegen. Sie vertraute darauf, dass ´Abdu'l-Bahá den Unterschied nicht wahrnehmen werde.
´Abdu'l-Bahás Frau bestellte beim Schneider einen feinen, verhältnismäßig teuren Mantel, und an jenem wichtigen Tage legte sie ihn für ´Abdu'l-Bahá zurecht.
Als Er sich nun ankleidete, merkte Er, dass der gewohnte Mantel nicht da war. Er suchte ihn im ganzen Haus und rief: "Wo ist mein Mantel, wo ist mein Mantel? Jemand hat mir einen Mantel gebracht, der nicht mir gehört!"
Da versuchte Seine Frau Ihm zu erklären, was geschehen war. Aber ´Abdu'l-Bahá, der immer zuerst an die andern dachte und nicht an sich selbst, sagte zu ihr: "Denke darüber nach! Für den Preis dieses Mantels kannst du fünf Mäntel der Art kaufen, wie ich sie normalerweise trage. Glaubst du, ich wollte so viel Geld für einen Mantel ausgeben, den nur ich trage? Wenn du aber meinst, ich müsste einen neuen Mantel haben, so bin ich einverstanden, aber trage diesen hier zum Schneider zurück und bitte ihn, fünf der üblichen Sorte für mich zu nähen. Dann habe ich einen neuen Mantel und kann noch vier weitere Mäntel weggeben."




Der unfreundliche Gouverneur
In ´Akká waren die Gouverneure, die obersten Regierungsbeamten der Stadt, zuweilen recht freundlich zu ´Abdu'l-Bahá, andere aber hörten mehr auf Seine Feinde als auf Seine Freunde und taten sehr Schlimmes. Einmal beschloss ein unfreundlicher Gouverneur, der die Bahá'í hasste, ihnen die Laden wegzunehmen, damit sie keine Grundlage mehr für ihren Lebensunterhalt hätten. Er gab der Polizei folgende Anweisung: "Es gibt hier 15 Geschäfte, die den Bahá'í gehören. Geht morgen früh hin, verschließt die Läden und bringt mir die Schlüssel."
Am selben Abend rief ´Abdu'l-Bahá die Bahá'í zu sich und sagte: "Lasst eure Laden morgen geschlossen und wartet ab, was Gott vorhat."
Am nächsten Morgen wartete der Gouverneur auf die Schlüssel. Als die Polizei endlich kam, konnte sie nur berichten, die Läden seien alle geschlossen. Der Gouverneur sandte die Polizisten nochmals aus und sagte: " Seht nach, ob die Läden inzwischen geöffnet sind." Abermals wurde gemeldet, die Läden seien noch immer nicht offen. Sie warteten und warteten, um 10 Uhr waren die Läden noch immer zu, obwohl sie normalerweise um 7 Uhr morgens geöffnet wurden. Der Gouverneur dachte sich, irgendwann werden sie schon aufmachen, und so wartete er.
Mittlerweile meldete sich der oberste Geistliche der Stadt beim Gouverneur. "Wie geht es Ihnen?" fragte ihn der Gouverneur. "Gut", antwortete der Geistliche, "nur bin ich sehr traurig. Hier habe ich ein Telegramm für Sie aus Damaskus, das mir Sorgen macht."
Der Gouverneur nahm das Telegramm und erschrak, als er den Inhalt las. Die Zentralregierung hatte ihn seines Amtes enthoben, und die Polizei sollte ihn sofort nach Damaskus bringen.
Als ´Abdu'l-Bahá von diesem Missgeschick des Gouverneurs hörte, besuchte Er ihn. "Sie sollten darüber nicht betrübt sein", sagte Er zu ihm, "alles in der Welt ändert sich. Kann ich etwas für Sie tun?"
Der Gouverneur war verwundert über dieses Angebot, aber auch sehr dankbar. Er sagte: "Wenn ich jetzt von hier abberufen bin, muss ich mich von meinen Lieben trennen, und niemand wird sich um sie kümmern. Meine liebe Familie wird traurig, einsam und hilflos sein, und keiner wird ihr helfen in der Not."
´Abdu'l-Bahá sprach: " Seien Sie nicht unglücklich, sagen Sie mir nur, wohin Ihre Familie gehen soll."
"Wenn sie mir nur nach Damaskus folgen könnte", antwortete der Gouverneur. "Verlassen Sie sich auf mich", sagte ´Abdu'l-Bahá, "und seien Sie unbesorgt. Ich werde Ihre Frau und die Kinder glücklich und sicher nach Damaskus bringen lassen. Sie werden sehen, bald nach Ihrer Ankunft wird auch Ihre Familie dort eintreffen."
So geschah es. Als die Familie in Damaskus ankam, war der Gouverneur sehr glücklich. Er fragte den Begleiter nach den Kosten für die Reise. Dieser antwortete: "Nichts. Ich gehorche nur dem Auftrage meines Meisters ´Abdu'l-Bahá."
Darauf wollte der Gouverneur ihm ein Geschenk machen, aber der Begleiter sagte: "Ich will keinen Lohn. Ich gehorche dem Auftrag des Meisters. Ich kann nichts annehmen."
Als der Gouverneur ihn einlud, über Nacht zu bleiben, um auszuruhen und zu essen, antwortete der Begleiter: "Ich gehorche dem Auftrag des Meisters und kehre sofort um."
"Dann nimm bitte einen Brief an ´Abdu'l-Bahá mit", sagte der Gouverneur und schrieb diesen Brief:
"O ´Abdu'l-Bahá! Ich bitte um Verzeihung! Ich verstand nicht. Ich kannte Sie nicht. Ich habe Ihnen großes Leid zugefügt. Sie haben es mir mit großer Güte vergolten."



Wie ´Abdu'l-Bahá zum "Ritter" ernannt wurde
Lange, bevor der Erste Weltkrieg ausbrach, sagte ´Abdu'l-Bahá den Bahá'í, dass sie sich auf schwere Zeiten vorbereiten sollten. Er lehrte sie, wie man Getreide anbaut, um eine gute Ernte zu bekommen. Dann zeigte Er ihnen, wie man das Korn in unterirdischen Vorratsräumen lagert, ohne dass es verdirbt.
Im Krieg war Palästina von anderen Ländern abgeschnitten, und die Menschen konnten keine Lebensmittel bekommen. Viele der Armen in Palästina hungerten, viele starben. Aber die Bewohner der Gegend von Haifa und ´Akká hatten es besser, denn ´Abdu'l-Bahá und die Bahá'í hatten genug Getreide, um den anderen helfen zu können. Aus der Umgebung kamen Menschen aller Nationen zu ´Abdu'l-Bahá und erhielten ihren Anteil Getreide. ´Abdu'l-Bahá teilte es aus wie bei den Soldaten, so dass jeder seine gerechte Ration empfing. Auf diese Weise wurden in den Jahren zwischen 1914 und 1918 Tausende vor dem Hungertode bewahrt.
Dieser selbstlose Dienst ´Abdu'l-Bahás an der Menschheit blieb nicht unbeachtet.
Am 27. April 1920 wurde ´Abdu'l-Bahá vom britischen Gouverneur in Haifa mit dem Titel "Ritter des Britischen Königreiches" geehrt. Obwohl ´Abdu'l-Bahá von solchen Ehrenbezeigungen für sich selbst nichts wissen wollte, nahm Er sie doch an, um dem Gouverneur eine Freude zu bereiten. An diesem Tag war Er jedoch mehr an Seinem Diener als an Seiner Ihm zugedachten Ehre interessiert. Es geschah folgendes: Die Würdenträger der Britischen Krone aus Jerusalem hatten sich in Haifa versammelt und warteten darauf, dem Meister, den jedermann ob Seines selbstlosen Dienstes liebte und verehrte, Ehre zu erweisen. Man hatte einen stattlichen Kraftwagen geschickt, um ´Abdu'l-Bahá von Seinem Hause zur Feierlichkeit zu fahren. Als das Auto eintraf, war ´Abdu'l-Bahá nicht zu finden. Man suchte Ihn überall, bis Er plötzlich von einer unerwarteten Seite erschien, allein, in Seiner unaufdringlichen Art, aber in königlicher Haltung, wie immer.
In Seiner Nähe stand Sein ergebener Diener und Fahrer Isfandíyár, der viele Jahre lang die Freude hatte, den Meister überallhin zu fahren. Als Isfandíyár das schöne Auto vorfahren sah, das ´Abdu'l-Bahá abholen sollte, machte er ein ganz trauriges Gesicht und dachte bei sich: "Nun werde ich nicht länger gebraucht!"
Aber ´Abdu'l-Bahá entging nichts. Als Er den Kummer auf dem Gesicht Seines geliebten Dieners sah, gab Er ihm den Auftrag, wie gewohnt, das Pferd vor die Kutsche zu spannen, und Isfandíyár eilte fort, um den Auftrag des Meisters zu erfüllen. Bald erschien die Kutsche und Isfandíyár thronte strahlend auf dem Kutschbock. Er war glücklich, denn er wusste, dass man ihn noch brauchte. Als die Kutsche vor dem Park des Gouverneurs eintraf, wo all die Würdenträger auf Ihn warteten, bat ´Abdu'l-Bahá Isfandíyár, Ihn durch einen Seiteneingang zu führen, denn Er wollte nicht im Mittelpunkt so vieler Zeremonien stehen. Den Ihm verliehenen Titel ,Sir 'Abbas Effendi' hat ´Abdu'l-Bahá niemals benutzt. Er war und blieb einfach "der Meister" oder ´Abdu'l-Bahá.



Mit der Postkutsche von ´Akká nach Haifa
´Abdu'l-Bahá musste einmal von der Gefängnisstadt ´Akká aus nach Haifa fahren, um Verschiedenes zu besorgen. Am Nachmittag machte Er sich auf den Weg. Es kam auch gleich die Postkutsche, die jeden Tag nach Haifa fuhr, denn es gab dort weder Eisenbahnen noch Omnibusse. Viele Menschen saßen schon drinnen. Trotzdem ging der Meister hin und fragte den Postillion: "Habt ihr noch einen Platz für mich frei?" Der Kutscher dachte: ,So ein vornehmer Herr hätte doch Geld genug, um sich eine eigene Kutsche zu mieten', und antwortete: "Euer Hochwürden wünschen doch sicherlich ein Privatfuhrwerk." Doch ´Abdu'l-Bahá versetzte: "Nein, das brauche ich nicht; diese Leute kommen alle gut nach Haifa, also kann ich auch mitfahren!"
Schon war der Meister eingestiegen, die Fahrgäste rückten noch ein wenig zusammen, der Kutscher knallte mit der Peitsche und die Kutsche holperte nach Haifa. Die kräftigen Pferde gelangten mit dem vollbesetzten Postwagen schnell ans Ziel.
In der Stadt stiegen die Fahrgäste aus. Da drängte sich eine ärmlich gekleidete Frau durch die Menschenmenge. Alle blieben stehen und schauten ihr nach. Vor ´Abdu'l-Bahá, der eben aus der Kutsche gestiegen war, warf sie sich nieder, weinte laut und bat: "Lieber Meister, mein Mann ist Fischer, den ganzen Tag hat er noch nichts gefangen und ich habe seit gestern Abend keinen Bissen Brot gegessen. Nachher soll ich heimgehen zu meinen hungrigen Kindern, die heute auch noch nichts bekommen haben. Wir alle müssen hungern. Hilf uns doch, bitte, lieber Meister!"
´Abdu'l-Bahá hob die Frau auf, griff in Seine Manteltasche und drückte ihr ein Geldstück in die Hand, mit dem man damals viel kaufen konnte. Das Gesicht der Frau, das eben noch tiefstes Leid ausgedrückt hatte, strahlte nun vor Freude. Sie sagte dem Meister tausend Dank für die freundliche Hilfe und ging glücklich von dannen. Der Meister aber drehte sich zum Postillion, bezahlte ihm sein Fahrgeld und bemerkte: "Nun hast du gesehen, warum ich kein Privatfuhrwerk haben wollte. Warum soll ich so luxuriös reisen und viel Geld verbrauchen, wenn noch so viele Menschen hungern?"
Nachdenklich fuhr der Kutscher weiter, ´Abdu'l-Bahá schritt über den Platz und ging Seines Weges.



Das kranke Beduinenmädchen
´Abdu'l-Bahá hatte ebenso wie Bahá'u'lláh und der Báb die Kraft, Wunder zu wirken, wenn es um die Heilung von Kranken ging. Wenn auch die Bahá'í ihre Religion nicht dadurch lehren, dass sie über diese Wunder sprechen, so ist es doch lehrreich, von einer solchen Begebenheit zu hören.
Eines Tages im Jahre 1916 war ´Abdu'l-Bahá mit Seinem treuen Kutscher auf dem Weg von ´Akká nach Nazareth. Der Meister war müde geworden, und deshalb hielten sie in einem kleinen Flecken vor dem Haus des Dorfoberhauptes an. ´Abdu'l-Bahá nahm ein leichtes Mahl ein und schlief etwa eine Stunde. Dann setzte Er sich mit dem Oberhaupt und einigen Ältesten des Dorf es zusammen, die herbei gekommen waren, um ´Abdu'l-Bahá zu sehen. Er sprach mit ihnen und gab zu vielen Fragen und Schwierigkeiten ihres Dorfes Seinen weisen Rat.
Nach dem Gespräch dankte der Dorfobere ´Abdu'l-Bahá für die Ehre Seines Besuches und sagte: "Euer Besuch wird uns den Segen und die Hilfe des Himmels für alle Dorfbewohner bringen. Aber ich habe noch eine Bitte."
"Was möchtest du bitten?" fragte ´Abdu'l-Bahá, "ich werde glücklich sein, dir zu erfüllen, was in meiner Macht steht."
Der Dorfobere erzählte: "Ich habe ein einziges Kind, ein Mädchen von 14 Jahren. Es hat seit zwei Jahren Tuberkulose. Die Ärzte haben es aufgegeben. Meine Frau, ich und unsere Verwandten können nichts tun, als nur weinen und jammern. Gott hat uns nur dies eine Kind geschenkt. Wenn Eure Heiligkeit für unser Kind beten wollte, so glaube ich gewiss, dass ihm dann neues Leben geschenkt würde. Wir sind sicher, dass Eure Gebete von Gott angenommen werden, wissen wir doch, dass ´Abdu'l-Bahás Segnungen allen Menschen gelten, ob sie es verdienen oder nicht." Hier brach der Dorf obere in Tränen aus.
´Abdu'l-Bahá erhob sich sogleich und fragte nach der Tochter.
"Sie ist in dem anderen Zimmer", antwortete der Dorfobere.
´Abdu'l-Bahá fand das Mädchen, es lag auf einem Bett mitten im Zimmer, die Mutter und andere Familienangehörige saßen daneben, pflegten es oder weinten nur. Er ging ans Kopfende des Bettes und setzte sich zu dem Kinde, nahm ihre kleine Hand und fühlte den Puls. Sie hatte hohes Fieber. Das Kind hustete ununterbrochen und spuckte Blut. Das arme Wesen bestand nur noch aus Haut und Knochen und war völlig ermattet.
´Abdu'l-Bahá legte dem Kind Seine Hand auf die Stirn und streichelte es. Dann bat Er um eine Tasse Tee. Als der Tee gebracht wurde, trank Er ein wenig davon, dann betete Er. Nach einigen Minuten gab Er dem Mädchen vorsichtig mit dem Löffel den übrigen Tee. Zweimal legte Er Seine Hand auf die Stirn des Mädchens, und wieder betete Er. Schließlich erhob sich ´Abdu'l-Bahá und wandte sich den Eltern zu. Mit lauter, fester Stimme sagte Er: "Seid gewiss, dass Gott dem Kinde die Gesundheit wiedergeben wird. Seid nicht unglücklich, weint und jammert nicht. Pflegt eure Tochter mit völligem Vertrauen. Bald wird sie wieder ganz gesund sein."
Er ging noch eine Weile zu den Besuchern zurück, dann verabschiedete Er sich von dem Oberhaupt und seinen Gästen, verließ das Haus und stieg wieder in Seine Kutsche.
Das Mädchen schwitzte in der folgenden Nacht sehr, und das Fieber ging allmählich zurück. Wie der Dorfobere später erzählte, war seine Tochter nach zwei Monaten völlig genesen. Im Jahre 1922 heiratete sie einen Christen, der bei einer Behörde in ´Akká angestellt war, und wurde Mutter von drei Kindern.
Der Vater dieses Mädchens erzählte die Geschichte immer wieder in ´Akká, Haifa und Nazareth. Stets fügte er diesen Satz hinzu: " Seine Heiligkeit 'Abbás Effendi hat mir meine Tochter wiedergeschenkt!"






Bäume im göttlichen Garten
´Abdu'l-Bahá wusste stets wunderbare Worte über das Leben nach dem Tode zu sagen. Eine Frau aus ´Akká erzählte folgende Geschichte über ´Abdu'l-Bahá und ihre eigene Tochter:
"Der Meister besuchte meine Tochter, als sie sehr krank war, und brachte zwei rosafarbene Rosen mit, die Er ihr gab. Zu mir sagte Er in liebevollem Ton: "Du musst sehr geduldig sein." Am Abend starb meine Tochter, und ich fragte ´Abdu'l-Bahá, warum dies geschehen musste.
Er antwortete:
"Es gibt einen Garten Gottes. Die Menschen sind darin wie Bäume, und Gott ist wie der Gärtner. Wenn der Gärtner nun einen kleinen Baum im Garten sieht, an einem Platz, wo er sich nicht mehr entwickeln, also auch nicht mehr wachsen kann, so bereitet Er einen anderen, besseren Platz vor, pflanzt den Baum um, damit er weiter wächst und Früchte tragen kann. Die anderen Bäume wundern sich natürlich und meinen: "Das war ein so schöner Baum; warum hat der Gärtner ihn herausgerissen?" Aber der göttliche Gärtner kennt den Grund.
Du weinst, aber wenn du die Schönheit des Ortes sehen könntest, wo dein Kind jetzt ist, so würdest du nicht länger traurig sein. Deine Tochter ist jetzt so frei wie ein Vogel und singt göttliche Melodien. Wenn du den heiligen Garten sehen könntest, du wolltest nicht mehr auf dieser Welt bleiben. Aber deine Aufgabe liegt nun einmal hier.'"


Gottvertrauen
Eine der frühen Gläubigen in Amerika erzählt aus der Zeit von ´Abdu'l-Bahás Aufenthalt in New York einen Vorfall, wie es noch viele ähnliche gegeben haben muss. Er ist bezeichnend für die drängenden Probleme, die ´Abdu'l-Bahá vorgetragen wurden, ebenso wie für die Heilung, die Er den Bedrückten und seelisch Gebrochenen brachte:
"Eines Tages kam eine Frau zu ´Abdu'l-Bahá und mit ihr ein armes kleines jüdisches Mädchen, menschliches Strandgut. Es war ganz in Schwarz, das arme Kind, mit einem blassen, abgehärmten und verweinten kleinen Gesicht.
Ich war in der Küche gewesen. Ich kam heraus und stieß auf eine Szene, die vom Meister beherrscht wurde. Er saß wie gewöhnlich am Fenster, Seine scharf geschnittenen Züge sprangen durch große Schatten hervor, Sein Turban und der weiße Umhang im vollen Sonnenlicht. Auf der einen Seite saß die Besucherin, auf der anderen das arme, heimgesuchte Kind. Die größten Tränen, die ich je gesehen habe, schossen ihm aus den Augen, als es Ihm seine trostlose Geschichte erzählte.
"Gräm dich jetzt nicht, gräm dich nicht", sagte Er. Er war ganz, ganz still...
"Mein Bruder ist seit drei Jahren im Gefängnis. Und das zu Unrecht. Es war nicht seine Schuld, man hat ihn angestiftet; er war schwach, er wurde das Opfer der anderen. Er muss noch vier Jahre sitzen. Mein Vater und meine Mutter sind die ganze Zeit bedrückt. Mein Schwager, bisher unsere Stütze, ist jetzt gestorben."
"Du musst Gott vertrauen", sagte ´Abdu'l-Bahá.
"Aber je mehr ich vertraue, desto schlimmer wird es!" schluchzte sie.
"Du hast nie vertraut."
"Aber meine Mutter liest den ganzen Tag Psalmen. Sie verdient es nicht, dass Gott sie so allein lässt! Ich lese auch die Psalmen, jeden Abend, bevor ich ins Bett gehe den 91. Psalm und den 23. Psalm. Ich bete auch."
"Beten heißt nicht, die Psalmen lesen. Beten heißt, auf Gott vertrauen und sich in allem Ihm unterwerfen. Beuge dich Gott, dann werden sich die Dinge für dich ändern. Lege deine Familie in Gottes Hände. Liebe den Willen Gottes. Starke Schiffe gehen im Meer nicht unter; sie schwimmen auf den Wogen! Nun sei ein starkes Schiff und kein angeschlagenes!""




Ein köstliches Mahl
Als ´Abdu'l-Bahá 1913 in Stuttgart war, erzählte Er nach dem Mittagessen im Hause des Konsuls Schwarz einmal diese Geschichte:
"Hört, was ich euch sagen will! 15 Meilen von Baghdád entfernt, mitten in der Wüste, lebte ein sehr armer Mann, der sich vom Dornensammeln dürftig ernährte. Er war ganz mittellos. Trotzdem besaß er einen tiefen Glauben und lebte, so gut er es konnte, in Einklang mit den Gesetzen Gottes. Weil dieser Mann so große Sehnsucht danach hatte, beschloss ich, ihn zu besuchen.
Es war schrecklich heiß, und wir hatten keine Möglichkeit, uns einen Wagen oder ein Reittier zu mieten, um diesen Freund in der Wüste rascher und leichter zu erreichen. Weil er aber so sehr darum gebeten hatte, unternahmen wir den weiten Weg in der großen Hitze zu dem armseligen Zelt dieses Armen. Bei Nacht war ich mit einigen Freunden auf gebrochen, um ein großes Stuck Weges zurückgelegt zu haben, ehe die Tagesglut einsetzte. Als die Sonne aufstieg und die Hitze immer gewaltiger wurde, sangen wir, um neue Kraft zu schöpfen, Tablets von Bahá'u'lláh. Gegen Mittag, vor Hitze schon ganz erschöpft, sahen wir in der Feme das Zelt des armen Mannes.
Als dieser uns kommen sah, eilte er uns voll Seligkeit entgegen und bat uns inständig in sein armes Zelt. Darinnen war es noch heißer und dazu sehr eng. Wir aber sangen heilige Tablets von Bahá'u'lláh, und alle äußerlichen Beschwerden fielen sogleich von unserer Seele ab. Der arme Mann lud uns zu einem Mahl ein. Seine Frau machte Feuer in einer Vertiefung des Hüttenbodens - dies war die ganze Feuerstelle - und knetete aus einer Art Mehl und Wasser eine große Kugel. Diese legte sie direkt in die Glut und häufte Reisig darüber.
Nach 10 Minuten nahm sie die Asche weg und hob mit den Fingern die nun völlig schwarze Kugel heraus, brach sie in Stücke und drückte in jedes Stück eine Dattel. Dieses Brot war vollständig teigig, ganz unausgebacken, und war die einzige Nahrung der armen Wüstenbewohner, die sie sich täglich zweimal bereiteten.
Dieses Mahl aber war mit so großer Liebe für mich zubereitet worden, dass ich den Geschmack noch jetzt auf der Zunge habe und oft an das königliche Mahl zurückdenke."




Wie ´Abdu'l-Bahá Haß in Liebe verwandelte
Zu der Zeit, als ´Abdu'l-Bahá mit Seinem Vater und Seinen Verwandten in ´Akká ankam, lebte dort ein strenger Muslim aus Afghanistan. Dieser Mann hatte ´Abdu'l-Bahá gar nicht gern, ja, er hasste Ihn von ganzem Herzen. Überall lehnte er sich gegen Ihn auf und beschimpfte Ihn auf der Straße und im Bazar. Er hetzte die Leute gegen Ihn auf und sagte ihnen, dass sie ja nicht mit ´Abdu'l-Bahá verkehren oder mit irgendeinem Bahá'í verhandeln. sollten. Wenn er irgendwo jemanden traf, der mit ´Abdu'l-Bahá sprach, beschimpfte er ihn sehr und setzte ihn vor allen Menschen herab. Sobald dieser Mann ´Abdu'l-Bahá auf der Straße sah, bedeckte er sein Gesicht mit seinem Gewand, um Ihn ja nicht sehen zu müssen.
Nun lasst uns hören, was ´Abdu'l-Bahá gegen solch ein gehässiges und grobes Betragen unternahm. Dieser Afghane war sehr arm. Er lebte in einer Moschee und hatte nicht das geringste zum Leben, auch gab es niemanden, der sich um ihn sorgte. ´Abdu'l-Bahá schickte ihm alles, was er zum Leben brauchte, was der Afghane auch annahm, ohne sich dafür zu bedanken. Die Zeit verstrich, ´Abdu'l-Bahá sorgte immer noch für diesen Menschen und wurde zum Dank dafür beschimpft. ´Abdu'l-Bahá hatte ihn aber von Herzen gern und beklagte sich nicht über sein Verhalten; alle bösen Worte erwiderte Er mit Güte.
Nun geschah es, dass ´Abdu'l-Bahá einige Tage nichts von dem Afghanen hörte, nach dem Grund fragte und erfuhr, dass er schwer erkrankt sei. ´Abdu'l-Bahá eilte zu dem Kranken und fand ihn elend in seiner schmutzigen Umgebung. Sobald der Mann Ihn erblickte, bedeckte er sein Gesicht, um den Meister nicht sehen zu müssen. ´Abdu'l-Bahá besorgte ihm einen Arzt, kaufte Medikamente und Essen. Der Afghane streckte die Hand dem Arzt hin, um sich den Puls fühlen zu lassen, doch mit der anderen Hand bedeckte er sein Gesicht. Er wurde durch ´Abdu'l-Bahás Hilfe wieder gesund, wurde ins Bad geschickt und bekam neue Kleidung.
An dem Tag, als er wieder ganz gesund war, kam er in ´Abdu'l-Bahás Wohnung, warf sich Ihm zu Füßen, weinte wie ein Kind und sagte: "Verzeih mir, mein Herr! Verzeih mir, mein Beschützer! 24 Jahre lang war ich Dein Feind, und Du hast Sorge für mich getragen! Ich habe Dich beschimpft, dafür hast Du mir Güte widerfahren lassen. Jetzt weiß ich, dass ich einen großen Fehler gemacht und gesündigt habe! Du warst mein himmlischer Vater und mein Trostgeber. Verzeih mir, verzeih mir!"
´Abdu'l-Bahá nahm seine Hand, hob ihn vom Boden auf und tröstete ihn. Der Mann aus Afghanistan war wie ein neuer Mensch. Sein Hass hatte sich in Liebe und Güte verwandelt.



Die Bedeutung des Leidens
Während eines Besuches bei einem Freunde, der einen schweren Unfall gehabt hatte und gezwungen war, für längere Zeit das Bett zu hüten, erzählte ´Abdu'l-Bahá die folgende Geschichte über den Sinn des Leidens:
Es war einmal ein König, der hatte einen Untertan, dem er ein hohes Amt geben wollte. Anstatt ihm aber das Amt zu geben, ließ er den Mann ins Gefängnis werfen. Dieser Mann war sicher überrascht, hatte er doch die Gunst seines Königs erwartet. Dann ließ ihn der König aus dem Gefängnis wieder frei, ließ ihn aber auspeitschen. Wiederum konnte der Mann es nicht verstehen, dass er geschlagen wurde, dachte er doch, der König liebe ihn. Dann wurde der Mann mit einem Strick um den Hals auf gehängt, bis er beinahe tot war. Als der Mann wieder zu sich kam, fragte er den König: "Wenn du mich liebst, warum tust du mir das alles an?" Der König erwiderte: "Ich will dich zu meinem Wesir machen. Wenn du alle diese Leiden ertragen hast, bist du für dieses Amt besser geeignet. Ich wünschte, dass du all dies am eigenen Leibe spürtest. Wenn du gezwungen sein wirst, andere so zu bestrafen, dann weißt du, was es bedeutet, Leiden zu ertragen. Da ich dich liebe, wünsche ich, dass du vollkommen bist."



Wie ´Abdu'l-Bahá wahres Dienen lehrte
Lua Getsinger, eine der ersten Bahá'í in Amerika, erzählte eine Begebenheit, die sie mit ´Abdu'l-Bahá in ´Akká erlebte.
Lua war zu einer Pilgerreise nach der Gefängnisstadt ´Akká gekommen, um ´Abdu'l-Bahá zu sehen. Sie gehörte zu der ersten amerikanischen Pilgergruppe, die ´Abdu'l-Bahá in ´Akká besuchte. Die Pilger wohnten in einem Haus in der Nähe der Wohnung ´Abdu'l-Bahás und waren oft bei Ihm zu Gast.
Als Lua eines Tages ´Abdu'l-Bahá besuchte, sagte Er zu ihr, Er sei im Augenblick sehr beschäftigt und bitte sie deshalb, einen armen, kranken Freund zu besuchen. Sein Wunsch sei, dass sie an Seiner Stelle gehe.
"Nimm ihm etwas zu essen mit", sagte Er, "und kümmere dich so um ihn, wie ich es getan hätte." ´Abdu'l-Bahá erklärte ihr, wo sie diesen Mann finden würde, und Lua machte sich bereitwillig auf den Weg. Sie war stolz darauf, dass ´Abdu'l-Bahá so viel Vertrauen in sie setzte und sie Seine Arbeit tun durfte. Lua also ging zu dem Kranken, kam aber ganz schnell wieder zurück. "Meister" rief sie, "Du kannst Dir sicherlich nicht vorstellen, an welch schrecklichen Ort Du mich geschickt hast! Fast wäre ich ohnmächtig geworden vor dem fürchterlichen Gestank, dem Schmutz in dem Raum und den schlimmen Umständen, in denen der Mann in diesem Haus lebt. Ich lief rasch fort, um mich nicht auch noch anzustecken und krank zu werden."
´Abdu'l-Bahá sah Lua traurig an. Wie ein gestrenger Vater sprach Er zu ihr: "Wenn du Gott dienen willst, musst du deinen Mitmenschen dienen, denn in ihnen siehst du Gottes Ebenbild!" Dann schickte Er sie zurück in das Haus des armen Mannes und sagte: "Wenn die Wohnung schmutzig ist, dann solltest du dort sauber machen. Wenn der Mann, dein Bruder, nicht rein ist, so bade ihn. Ist er hungrig, gib ihm zu essen. Komme nicht eher zurück, als bis du alles getan hast. ´Abdu'l-Bahá hat es viele Male getan. Kannst du dem guten Manne nicht einmal dienen?" So lehrte ´Abdu'l-Bahá Lua, ihren Mitmenschen zu dienen.


Nichts blieb ´Abdu'l-Bahá verborgen
Wer immer mit ´Abdu'l-Bahá zusammen war, war glücklich. Man wurde dabei wirklich ein besserer Mensch.
Eine der Pilgerfrauen in ´Akká dachte, dass sie von nun an nur noch Liebe für ihre Mitmenschen empfinden könnte. Eines Nachmittags jedoch, als sie sich mit zwei Freundinnen unterhielt, sagte sie etwas Unfreundliches über eine andere Bahá'í.
Während die drei Frauen noch beieinander saßen, kam ´Abdu'l-Bahá von Seinem Besuch bei den Armen und Kranken zurück. Sogleich ließ Er eine der Frauen kommen und sagte ihr, jemand habe in Seiner Abwesenheit unfreundliche Worte über einen anderen Menschen gesprochen. Und Er sprach weiter, es mache Ihn sehr traurig, wenn Er spüre, dass die Bahá'í sich nicht liebten oder gar üble Nachrede übten. Dann sagte Er ihr, sie solle nicht darüber sprechen, sie solle vielmehr beten.
Bald darauf gingen alle zum Abendessen. Die Pilgerfrau, welche die unfreundlichen Worte gesprochen hatte, war sich gar nicht bewusst, dass sie etwas falsch gemacht hatte. Erst als sie in die Augen ´Abdu'l-Bahás sah, die sie so voller Güte und Milde anschauten, kam es ihr plötzlich in den Sinn, wie sie gefehlt hatte, und sie brach in Tränen aus. ´Abdu'l-Bahá nahm zunächst keine Notiz davon. Das Abendessen nahm seinen Gang. Sie aber weinte bitterlich darüber, dass sie schlecht gehandelt hatte.
Nach einiger Zeit wandte sich ´Abdu'l-Bahá ihr zu, lächelte und rief einige Male ihren Namen, so, als wollte Er sie auffordern zu kommen. Im selben Augenblick war sie von seligem Glück erfüllt. Sie war sich jetzt ganz sicher, dass ´Abdu'l-Bahá ihr verziehen hatte und ihr helfen werde, die Menschen noch mehr zu lieben.


´Abdu'l-Bahá las Gedanken
´Abdu'l-Bahá wusste offenbar, was jemand sich wünschte, ohne dass Er danach gefragt hätte.
Einmal saß während des Abendessens eine Frau neben Ihm und lauschte Seinen weisen Worten. Dabei sah sie ein Glas Wasser an, das genau vor ihr auf dem Tisch stand. Sie dachte: ,O könnte doch ´Abdu'l-Bahá so wie man dieses Glas leeren könnte, mein Herz leer machen von allen weltlichen Wünschen, um es dann mit göttlicher Liebe und mit Verständnis aufzufüllen!'
Ihre Gedanken waren eigentlich nur so vorbeigehuscht, aber ´Abdu'l-Bahá schien sie gelesen zu haben. Mitten im Gespräch unterbrach Er sich kurz und sagte zu dem Diener einige Worte auf persisch, dann setzte Er das Gespräch fort, ohne dass jemand etwas Besonderes gemerkt hätte.
Der Diener trat ruhig an den Platz der Dame, nahm ihr Glas vom Tisch, leerte es und stellte es wieder hin. Während ´Abdu'l-Bahá noch sprach, nahm er den Wasserkrug vom Tisch und füllte das leere Glas der Dame wieder auf. Keiner hatte bemerkt, was wirklich vorgefallen war, außer dieser Dame. Sie wusste, was ´Abdu'l-Bahá getan hatte, und ihr Herz war von großer Freude erfüllt.



Wie ´Abdu'l-Bahá lehrte, Schwierigkeiten zu meistern
In ´Akká besuchte eines Tages eine Frau aus dem Westen ´Abdu'l-Bahá und erzählte Ihm alle ihre Sorgen. ´Abdu'l-Bahá hörte gütig zu, während die Frau ununterbrochen sprach. Es waren keine wirklich großen Schwierigkeiten, aber sie hielt sie für überaus schlimm und unerträglich. Schließlich stand ´Abdu'l-Bahá auf und entschuldigte sich, Er habe eine andere Verabredung und müsse jetzt gehen. "Aber dort", sagte Er, aus dem Fenster deutend, "geht ein Mann, mit dem ich Sie bekannt machen möchte. Sein Name ist Mírzá Haydar Alí. Wir nennen ihn den ,Engel des Berges Karmel'. Er wandelt auf Erden, lebt aber im Himmel. Er hat viele Leiden ertragen und wird Ihnen darüber berichten."
´Abdu'l-Bahá ging in den Garten hinaus und kam in Begleitung von Mírzá Haydar Alí zurück. Er stellte ihn der Dame vor und entfernte sich, um zu Seiner anderen Verabredung zu eilen. Nun begann Mírzá Haydar Ali, sich mit der Frau zu unterhalten. In demütiger und liebevoller Art sprach er von dem wundervollen Zeitalter, in dem wir leben und über das Reich Gottes, das nahe sei.
Die Frau hörte zu, mehr und mehr verlor sie aber die Geduld. Nach einer Weile unterbrach sie seine Rede, indem sie einwarf: "Aber ´Abdu'l-Bahá sagte doch, dass Sie mir über Ihre Leiden berichten würden!"
Mírzá Haydar Alí sah überrascht auf. "Leiden?" fragte er. "Warum, meine verehrte Dame, ich hatte niemals Schwierigkeiten. Ich weiß nicht, was Leiden sind!"



Rosen der Liebe
‘Abdu’l-Bahá war ein Mensch, der mehr als fünfzig Jahre Seines Lebens in Verbannung und Gefangenschaft zugebracht hatte. Er hatte niemals eine Schule besucht, kannte auch später nicht die Gesellschaft von Hochschul- oder Universitätsstudenten. Selbst bis ins hohe Alter hatte Er nie Gelegenheit, die bedeutenden Werke der Weltliteratur zu lesen oder Unterhaltungen mit hochgelehrten Persönlichkeiten zu führen. Aber als ‘Abdu’l-Bahá durch Europa und Amerika reiste, sprach Er mit Wissenschaftlern und Philosophen, mit bedeutenden Persönlichkeiten und großen Führern. Man hättet doch annehmen können, dass Er darauf nicht vorbereitet gewesen wäre. Aber ‘Abdu’l-Bahá. war allen Gesprächen gewachsen. Was immer zur Debatte stand, konnte Er sicher und gewandt beantworten. Ja, es schien so, dass Er stets mehr als jeder andere wusste, und niemals war Er um eine Antwort auf schwierige Fragen verlegen.
Gleichzeitig ließ Er jedoch die Gesprächspartner niemals merken, dass Er besser oder gar intelligenter sei als sie selbst. Er war immer bescheiden, freundlich und voll Rücksicht auf die Meinung des anderen.
Außerdem war Er stets höflich zu allen, da Er „das Antlitz Seines göttlichen Vaters" in jedem Gesicht sah.
Eines Tages kam ein christlicher Geistlicher zu ‘Abdu’l-Bahá, um sich Auskunft für einen Zeitungsbericht zu holen, Offensichtlich war der betagte Mann am Baha'i-Glauben oder an ‘Abdu’l-Bahá nicht wirklich interessiert. Er redete viel und stellte nur solche Fragen, die ihm für seinen Bericht nützlich erschienen. ‘Abdu’l-Bahá antwortete auf seine Fragen mit kurzen Worten wie „Ja oder Nein", verlor dabei aber niemals das Interesse an dem Interview. Es schien jedoch, dass Er mehr an dem Fragesteller als an den Fragen interessiert war. Wie gewöhnlich saß Er auf Seinem Platz, vollkommen entspannt, Seine Hände mit nach oben gerichteten Handflächen im Schoße ruhend. Er betrachtete Seinen Gesprächspartner mit einem Ausdruck verstehender Liebe, schwer zu beschreiben. Sein Antlitz spiegelte innere Erleuchtung.
Der Geistliche sprach immer weiter, so dass ‘Abdu’l-Bahás Begleiter ungeduldig worden- Sie überlegten, warum Abdu'1-Bahá das Gespräch nicht abbrach. Der Besucher zeigte kein wirkliches Interesse, er wollte mit seinem Bericht ja nur Geld verdienen. ‘Abdu’l-Bahá aber hörte ruhig zu und ermunterte den Mann, sich richtig auszusprechen. Schließlich machte der Geistliche eine Pause. Für eine Weile herrschte Schweigen, dann begann ‘Abdu’l-Bahá mit sanfter Stimme zu sprechen. Der Dolmetscher übersetzte Satz für Satz. ‘Abdu’l-Bahá sprach von Seiner Heiligkeit Jesus Christus, Seiner liebe zur Menschheit, Seiner Standhaftigkeit bis zum Kreuzestod, über die Bedeutung der christlichen Geistlichkeit, „zu der du, mein lieber Sohn, berufen bist", über die Notwendigkeit von Geistlichen, „die sich durch Gottes Eigenschaften auszeichnen", so dass die Geistlichkeit die Herzen der Menschen zum Gott wohlgefälligen Leben hinzöge. Er berichtete außerdem über das Kommen des Reiches Gottes auf Erden, für das Christus uns aufgegeben hatte zu beten und für dessen Verwirklichung Bahá’u’lláh in dieser Welt erschienen sei, so
wie Christus es verheißen hatte.
Innerhalb von wenigen Minuten wurde der Besucher ein anderer Mensch. Er wurde demütig und, zumindest für einen Augenblick, ein Jünger zu '‘Abdu’l-Bahás Füßen. Ihm schien, als sei er in eine andere Welt versetzt, was auch die anderen im Zimmer empfanden. Sein Gesicht war blaß wie von einer inneren Erleuchtung, api Dann stand ‘Abdu’l-Bahá auf, umarmte den Geistlichen liebevoll und begleitete ihn zur Tür. An der Tür hielt Er inne. Sein Blick fiel auf einen wundervollen Rosenstrauß, den Ihm ein Freund am Morgen gebracht hatte. Es waren viele Rosen, ungefähr zwei bis drei Dutzend, die mit ihren langen Stielen in einem Schirmständer steckten, da sie in kein anderes Gefäß passten.
Sobald ‘Abdu’l-Bahá die Rosen sah, musste Er laut lachen. Sein jugendliches Lachen schallte durch den ganzen Raum. Er bückte sich, nahm den ganzen Strauß Rosen auf und drückte sie dem Besucher in die Arme. Da stand nun der Geistliche mit seinem schönen, grauen Haupt über dem riesigen Strauß wundervoller Blumen ganz überraschle strahlend bescheiden, völlig verändert. Ja, ‘Abdu’l-Bahá verstand es, die Liebe Gottes zu lehren!



Lachen ist Medizin
Dies ist die Geschichte, wie ‘Abdu’l-Bahá in Amerika einer Einladung folgte und etwa zwanzig Gäste von Rang und Namen zum Lachen brachte.
Die Gastgeberin hatte ‘Abdu’l-Bahá in Akká besucht, als Er noch ein Gefangener war. Ihr Leben hatte sich durch diese Begegnung völlig gewandelt, und sie wünschte, dass nun auch ihre Freunde ‘Abdu’l-Bahá sehen und kennen lernen sollten. Sie war ein wenig nervös, denn ihre Freunde waren bedeutende Wissenschaftler, Künstler, Ärzte und Leute, die nichts von Religion hielten. Einige von ihnen wussten nicht, ob sie an Gott glauben sollten oder nicht und waren
auch nicht daran interessiert, dies herauszufinden.
Die Dame wollte natürlich, dass ihre Party ein voller Erfolg wird, und war neugierig, wie ‘Abdu’l-Bahá diese Situation wohl meistern würde. Ein wenig aufgeregt empfahl sie ‘Abdu’l-Bahá, Er möge über das Leben nach dem Tode sprechen, überließ aber ‘Abdu’l-Bahá die Entscheidung.
Während des Essens unterhielt man sich über belanglose Dinge, und ‘Abdu’l-Bahá machte keine Anstalten, das Thema zu wechseln. Daraufhin ergriff die Gastgeberin die Initiative und meinte, dass ‘Abdu’l-Bahá jetzt über geistige Themen sprechen werde.
Darauf fragte ‘Abdu’l-Bahá, ob Er eine Geschichte erzählen dürfe. Er gab eine Seiner vielen orientalischen Geschichten zum Besten. Am Ende lachten alle sehr herzlich darüber. «Das Eis war gebrochen. Andere Gäste erzählten weitere Geschichten. Dann erzählte ‘Abdu’l-Bahá freudestrahlend eine neue Geschichte und wieder eine. Der Raum war erfüllt von Lachen. Lachen, sagte Er, sei gut, Lachen sei geistige Entspannung. Als die Bahá’í im Gefängnis waren, so erzählte Er den Gästen, hatten sie ein äußerst schwieriges Leben, doch abends erzählte jeder die lustigsten Dinge, die tagsüber geschehen waren. Manch mal war es recht schwierig, etwas Lustiges zu erzählen, aber jedesmal lachten alle so herzlich, bis Ihnen die Tränen über die Wangen liefen. Glücklichsein, meinte Er, hängt nicht davon ab, wo du bist oder wie es
materiell um dich steht.
Das war alles, was Abdu'1-Bahá während dieses Essen über geistige Dinge oder über die Lehren Bahá’u’lláhs sagte. Aber die Wirkung war größer, als wenn Er eine lange Rede über Religion gehalten hätte. Nachdem die Gäste gegangen waren und ‘Abdu’l-Bahá sich verabschiedete, um ins Hotel zurückzufahren, ging Er auf die Gastgeberin zu und erkundigte sich lächelnd in Seiner bescheidenen Art; „Waren Sie mit mir zufrieden?“


Die schwarze Rose
Eines Tages ging ‘Abdu’l-Bahá in ein Armenviertel von New York, um zu einigen Hundert Menschen zu sprechen. Mit Ihm kam eine große Anzahl persischer und amerikanischer Freunde. Als sie durch die Straßen gingen, boten die persischen Freunde mit ihren langen, fließenden Gewändern und ihren östlichen Kopfbedeckungen einen fremdartigen Anblick. Und, wie zu erwarten, folgte den Besuchern eine Gruppe von Jungen aus dieser Gegend. Diese fingen bald an, den Fremden Frechheiten nachzurufen wie Jungen oft tun, und einige begannen mit Stöcken nach ihnen zu werfen.
‘Abdu’l-Bahás Gastgeberin, Frau Kinney, konnte dieses Verhalten ihrem Gast gegenüber nicht ertragen. Sie blieb ein wenig hinter der Gruppe zurück, um mit den Jungen zusprechen. In wenigen Worten erklärte sie ihnen, wer dieser Gast war, dass Er viele Jahre im Gefängnis verbracht hatte, nur weil Er für Wahrheit eintrat und Seine Mitmenschen liebte. Jetzt gehe Er in die Bowery, um zu den Armen zu sprechen.
„Können wir nicht mitkommen?“ meinte der Anführer der Jungen, Frau Kinney antwortete, dass dies nicht möglich sei, aber wenn sie am kommenden Sonntag in ihr Haus kommen wollten, werde sie ein Treffen mit ‘Abdu’l-Bahá arrangieren. Sie gab den Jungen ihre Adresse, wenn sie auch nicht daran glaubte, dass die Jungen kommen würden.
Am darauffolgenden Sonntag nachmittag aber erschienen die Jungen bei Frau Kinney. Sie waren eine große Gruppe von etwa 20—30 jungen Leuten, die nicht gerade zu den besten Kreisen zählten. Sie waren zwar dürftig gekleidet, aber frisch gewaschen und sauber, wie zu einem großen Ereignis vorbereitet. Laut redend und stampfend stürmten sie die Stufen zum Haus, und als sich die Tür öffnete, stiegen sie die Treppen zu ‘Abdu’l-Bahás Zimmer hinauf.
‘Abdu’l-Bahá stand schon in der Tür, um die Jungen zu empfangen. Er begrüßte jeden einzelnen von ihnen, manche mit Handschlag, anderen legte Er den Arm um die Schulter, Immer lächelte Er freundlich, und es hatte den Anschein, als ob Er selbst ein Junge unter Jungen wäre.
Und die Jungen? Man könnte annehmen, dass sie sich steif und unbehaglich gefühlt hätten in dieser reichen Umgebung, die sie nicht kannten. Aber nein, sie machten den Eindruck in der Gegenwart von ‘Abdu’l-Bahá sehr glücklich zu sein.
Unter den letzten, die den Raum betraten war ein Farbiger von etwa 13 Jahren, Er war von sehr dunkler Hautfarbe, und da er der einzige Neger war, hatte es den Anschein, als fürchte er, nicht willkommen zu sein. Als Abdu'1-Bahá den Jungen sah, erstrahlte Sein Gesicht in herzlichem Lächeln. Er hob Seine Hand, um ihn königlich zu begrüßen, und erklärte mit lauter Stimme, so dass niemand es überhören konnte, dass eine schwarze Rose unter ihnen sei.
Sogleich wurde es ganz still im Raum. Das schwarze Gesicht strahlte vor Glück wie es kaum von diesen Erde war. Die anderen Jungen sahen ihren Kameraden plötzlich mitt neuen Augen an. Sie hatten vorher nicht im geringsten daran gedacht, in ihm so etwas wie eine schwarze Rose zu sehen.
Die Jungen blieben ruhig und entspannt, doch wurden sie ernster und richteten ihre Aufmerksamkeit ganz auf '‘Abdu’l-Bahá. immer wieder sahen sie mit nachdenklichen Augen auf den schwarzen Jungen. ‘Abdu’l-Bahá hatte ihnen eine wertvolle Lehre erteilt, wenn sie sich dessen auch nicht bewußt waren.
Als die jungen Menschen angekommen waren, hatte 'Abdu'l-Bahá jemanden ausgeschickt, Süßigkeiten zu besorgen, und diese trafen jetzt ein. Es war eine 5-Pfund-Schachtel mit kostbaren gemischten Pralinen. Nachdem das Papier entfernt war, nahm ‘Abdu’l-Bahá die Pralinenschachtel und gab reihum jedem Jungen eine große Handvoll davon mit einem Wort und einem Lächeln für jeden. Dann ging Er zu dem Tisch zurück, an dem Er gesessen hatte, stellte die Schachtel, in der jetzt nur noch wenige Stücke übrig waren, auf den Tisch, nahm ein langes, dunkles Stück Schokolade heraus, schaute es einen Augenblick an und wandte sich wieder der Gruppe zu. Alle sahen Ihn aufmerksam und erwartungsvoll an. Ohne ein Wort zu sagen, ging Er durch den Raum zu dem schwarzen Jungen. Mit einem humorvollen Lächeln, das alle Anwesenden einbezog, hielt Er das Stück Schokolade an die schwarze Wange des Jungen. ‘Abdu’l-Bahás Gesicht strahlte, als Er dem Jungen Seinen Arm um die Schulter legte. Dieses Strahlen schien den ganzen Raum zu erfüllen. Es waren keine Worte notwendig, um zu erklären, was Er meinte, und die Jungen verstanden Ihn alle. Er schien zu sagen, dieser Junge ist nicht nur eine schwarze Rose, sondern auch eine schwarze Köstlichkeit. Du isst schwarze Schokolade, und sie schmeckt dir gut. Vielleicht findest du deinen schwarzen Bruder genauso gut, wenn du seine Köstlichkeit erfahren hast.


Schaut nicht auf die Hautfarbe
Als ‘Abdu’l-Bahá in Washington D.C. von einem hohen Regierungsbeamten zu einer Mittagsgesellschaft in dessen Haus eingeladen war, bat Er einen schwarzen, amerikanischen Freund namens Gregory, Ihn dort zutreffen. Herr Gregory war darüber sehr erstaunt da er doch zu diesem Essen nicht eingeladen worden war. Außerdem wusste er, dass weiße Amerikaner normalerweise nicht mit einem Schwarzen zu Tisch gingen. Da er jedoch der Bitte ‘Abdu’l-Bahás auf jeden Fall folgert wollte ging er hin.
‘Abdu’l-Bahá begrüßte ihn mit der Ihm eigenen Freundlichkeit. Etwa eine Stunde sprachen sie miteinander über viele Dinge. Plötzlich erschien der Diener und meldete: „Das Essen ist angerichtet."' ‘Abdu’l-Bahá stand sofort auf und ging ins Esszimmer. Herr Gregory aber blieb zurück und wusste nicht, ob er nun bleiben oder gehen sollte.
‘Abdu’l-Bahá ging auf den Tisch zu, hielt plötzlich inne und fragte auf englisch mit ungewöhnlich lauter Stimme: „Wo ist mein Freund, Herr Gregory; mein Freund, Herr Gregory, muss unbedingt mit mir essen!".
Da gab es nur eines, der Diener musste nach Herrn Gregory Ausschau halten. ‘Abdu’l-Bahá begann, die vielen Bestecke und Gläser zur Seite zu schieben, damit neben Ihm noch ein Gedeck für Herrn Gregory aufgetragen werden konnte.
Somit saß Herr Gregory neben ‘Abdu’l-Bahá auf dem Ehrenplatz. ‘Abdu’l-Bahá unterhielt die Gesellschaft auf so wunderbare Art, dass die Gäste — zumindest für einige Zeit — ihre törichten Vorurteile gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe vergaßen.


Woher ‘Abdu’l-Bahá Kraft und Energie nahm
Die Freunde wunderten sich oft, woher ‘Abdu’l-Bahá ständig Seine Kraft und Energie nahm.
Eines Tages kam ‘Abdu’l-Bahá nach einem Treffen müde nach Hause. Die Freunde waren sehr betrübt, Ihn so erschöpft zu sehen. Nun sollte Er auch noch viele Stufen bis in Sein Zimmer hinaufsteigen! Zu aller Überraschung jedoch lief ‘Abdu’l-Bahá alle Stufen hinauf, ohne auch nur einmal Pause zu machen. Oben angekommen, drehte Er sich um, sah auf die Freunde herab und meinte: »Ihr seid alle sehr alt, und ich bin sehr jung!" Alle Anzeichen der Müdigkeit waren aus Seinem Gesicht verschwunden, und Er lächelte ihnen zu. Als Er sah, wie überrascht alle waren, erklärte ‘Abdu’l-Bahá : „Durch die Kraft Bahá'u’lláhs läßt sich alles tun. Ich habe eben diese Kraft
genutzt!"


Die Sprache des Herzens
Obwohl ‘Abdu’l-Bahá nur sehr wenig Englisch sprach, hatte Er doch keine Schwierigkeiten, sich verständlich zu machen. Wenn Er sich nicht mit Worten mitteilen konnte, so sprach Er zu den Herzen der Menschen, und sie verstanden Ihn.
Da gibt es die Geschichte von einem amerikanischen Bergarbeiter, der weder lesen noch schreiben konnte. Er hatte von ‘Abdu’l-Bahá gehört und war zu Fuß von weit her nach San Franzisko gekommen, um Ihn zu hören. Obwohl dieser Mann keine Ausbildung hatte, besaß er viele geistige Gaben. Er ging zu einem Treffen, auf dem ‘Abdu’l-Bahá sprach. Er lauschte, seine Augen und sein Herz folgten jeder Bewegung und jedem Ton ‘Abdu’l-Bahás. Es schien, als trinke er von frischem Wasser. Als der Dolmetscher die Ansprache ins Englische übertrug, flüsterte der Bergarbeiter: „Warum unterbricht dieser Mann den Redner?"
Dann sprach ‘Abdu’l-Bahá wieder, und der Arbeiter lauschte ganz glücklich. Als aber der Dolmetscher die Sätze ins Englische übertrug, verlor der Bergmann die Geduld und sagte: „Warum lassen sie diesen Mann immer dazwischen reden? Er sollte hinausgeschickt werden!“
Der Nachbar klärte ihn auf: „Das ist der Dolmetscher. Er übersetzte vom Persischen ins Englische, damit sie verstehen können“
„Hat Er denn Persisch gesprochen? Wieso? Jeder konnte Ihn doch verstehen“


Seid einig!
Eines Tages wurde ‘Abdu’l-Bahá in London von einem Besucher gefragt: „Wird diese unglückliche Welt jemals glücklich sein?"
‘Abdu’l-Bahá antwortete: „Es ist fast 2000 Jahre her, dass der Herr, Jesus Christus, euch folgendes Gebet lehrte: ,Dein Reich komme, Dein Wille geschehe im Himmel wie auf Erden.' Meinst du, Er hätte euch aufgetragen für etwas zu beten, das nie eintreffen wird? Dieses Gebet ist auch eine Prophezeiung.“
Der Besucher fragte: „Aber ‘Abdu’l-Bahá, wann wird das Königreich kommen; wie bald wird Sein Wille auf Erden geschehen, so wie er im Himmel geschieht?''
„Das hängt davon ab", sagte ‘Abdu’l-Bahá, „wie hart jeder von euch Tag und Nacht der Sache Gottes dient. Ihr seid wie Fackeln, die ich mit eigener Hand angezündet habe. Geht und zündet andere an, damit all die einsamen, wartenden Menschen in großer Einigkeit verbunden sind.
Alle, die alleine etwas tun, gleichen Ameisen, aber weil sie vereint sind, werden sie wie Adler sein. Alle, die alleine arbeiten, sind wie Tropfen. Aber wenn sie sich vereinigen, sind sie wie ein Fluß, der das reine Wasser des Lebens in die abgelegenen Teile der Welt führt. Wenn der große Fluß des Lebens wie eine Flut wird, werden alles Elend, aller Kummer und alle Sorge weggespült. Seid einig Seid einig Es ist gefährlich, nur ein Tropfen zu sein, denn der könnte weggespült werden oder vertrocknen.“


Was würdest du tun, wenn du hörtest, dass Jesus Christus auf Erden weilte?
Zwei Tage, bevor ‘Abdu’l-Bahá Paris verlassen wollte, kam eine Dame eilends in eine Zusammenkunft und sagte: „Wie froh bin Ich, noch rechtzeitig gekommen zu sein! Ich muss euch den erstaunlichen Grund für meine eilige Reise von Amerika hierher erzählen!" Während sich einige Leute um sie scharten, erzählte sie ihre Geschichte. „Eines Tages verblüffte mich meine kleine Tochter mit der Frage: ‚Mutter, was würdest du tun, wenn du hörtest, dass Jesus auf der Erde ist?’ ‚Mein Liebling, ich würde mich in den nächsten Zug setzen und so schnell wie möglich zu Ihm fahren!' ‚Gut, Mutter’, sagte sie daraufhin, ‚Er ist auf dieser Erde. Mich über kam ein merkwürdiges Gefühl, während meine Kleine sprach, und ich sagte: ,Wie meinst du das, mein Schatz, woher weißt du das?' ,Er hat es mir selbst gesagt’, war ihre Antwort, ,also muss Er doch auf der Erde sein.’
Verwundert dachte ich, ob dies wohl eine heilige Botschaft ist, die mir durch mein Kind vermittelt wird, und in der Nacht betete ich um Klarheit.
Am andern Tag sprach meine Tochter wieder zu mir, wie wenn sie nicht verstehen könne, dass ich trotz dieser Nachricht noch nichts unternommen hatte. ‚Mutter, warum gehst du nicht, um Jesus zu sehen? Zweimal hat Er mir gesagt, dass Er auf der Erde ist!' ,Mein Kind', antwortete ich, ,deine Mutter weiß doch nicht, wo Er ist und wie sie Ihn finden soll.' ,Wir werden sehen, Mutter, wir werden sehen', sagte sie.
An diesem Nachmittag ging ich mit meiner Tochter spazieren. Plötzlich blieb sie stehen und rief; ‚Da ist Er, da ist Er.' Sie zitterte vor Aufregung und zeigte auf ein Bild von ‘Abdu’l-Bahá in einem Schaufenster. Ich kaufte die Zeitung, fand diese Adresse, nahm noch in derselben Nacht ein Schiff, und nun bin ich hier!"


Der Vogel Menschheit braucht die beiden Flügel Mann und Frau
‘Abdu’l-Bahá hatte großes Interesse an der Arbeit der Frauen und deren Fortschritten. Während Seiner Aufenthalte in Amerika und Europa traf Er mit vielen bekannten Frauen zusammen, so zum Beispiel mit Frau Annie Besant, der Präsidentin der theosophischen Gesellschaft, und anderen Führerinnen der unterschiedlichsten Frauenorganisationen, mit Sozialarbeiterinnen, Direktorinnen von Mädchenschulen und vielen anderen.
Eines Tages kam eine Dame zu ‘Abdu’l-Bahá , die standhaft für das Wahlrecht der Frauen eintrat. Der Meister sprach über die unterschiedlichen Aufgaben der Frau in verschiedenen Teilen der Welt und wandte sich dann an diese Dame. „Sagen Sie mir bitte Ihre Gründe, warum die Frau heutzutage das Wahlrecht haben sollte!' Die Dame antwortete: „Ich bin der Meinung, dass das Menschengeschlecht göttlichen Ursprungs ist und sich immer weiter, immer höher entwickeln muss. Aber es kann nicht nur mit einem Flügel fliegen.“
‘Abdu’l-Bahá war mit dieser Antwort sehr zufrieden. Er lächelte und fragte weher: „Was wollen Sie aber tun, damit der andere Flügel kräftiger wird?“ Die Dame antwortete: „Wir müssen den schwachen Flügel stärken, denn sonst wird es keinen ruhigen Flug geben."
‘Abdu’l-Bahá lächelte abermals und sagte: „Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen bewiese, dass die Frauen der stärkere Flügel sind?"
Die Dame erwiderte in ihrer aufgeschlossenen Art: „Dafür verdienten Sie meine unendliche Dankbarkeit."


‘Abdu’l-Bahá kannte keine Angst
Als ‘Abdu’l-Bahá in Paris weilte, erhielt eine vornehme Dame — sie war Baha'i — einen Brief, in dem stand: „Da ich gehört habe, ‘Abdu’l-Bahá beabsichtige in nächster Zeit (ein bestimmtes Land) zu besuchen, rate ich, Ihn zu warnen, da dies für Ihn gefährlich werden könnte“ Der Mann, der diese Zeilen geschrieben hatte, war ein vertrauenswürdiger Freund der Dame. Somit fühlte sie sich verpflichtet, ‘Abdu’l-Bahá von dieser Gefahr zu berichten.
Als ‘Abdu’l-Bahá von dieser Nachricht hörte, lächelte Er lind sagte: „Meine Tochter, hast du immer noch nicht verstanden, dass ich mein ganzes Leben lang nicht einen Tag ohne Gefahr lebte und dass
es mir eine Freude sein wird, diese Erde zu verlassen, um bei meinem Vater sein zu dürfen!"
Die Dame überkam Angst und Sorge: „Meister", sagte sie, „wir wollen aber nicht, dass Du auf diese Art und Weise von uns gehst." „Sei unbesorgt" meinte Er. „Diese Feinde haben über mein Leben keine Macht außer derjenigen, die ihnen vom Himmel verliehen ist. Wenn Gott, mein Geliebter, wünscht, dass ich mein Lebensblut auf Seinem Pfade opfern darf, so wird dies ein glorreicher Tag sein, und ich kann nur hoffen, dass es so geschieht."
Diese Worte Abdu'1-Bahás vermittelten den Freunden ein neues Verständnis dafür, was es heißt zu glauben. Ihr Glaube wurde an diesem Tag so stark und fest, dass sie eines Tages, als der Fremde wieder zu einer Gruppe von Freunden kam und sie warnte, dass nicht nur das Leben Abdu'1-Bahás, sondern auch ihr eigenes in Gefahr sei, entgegneten : „Die Macht, die den Meister schützt, wird auch Seine Diener schützen, wir haben keine Angst."
Der Mann war von dieser Antwort so überrascht, dass er wegging und nichts mehr sagte. (Blomfield, S. 184)



‘Abdu’l-Bahá scheute keine Mühe
‘Abdu’l-Bahá wartete nicht darauf, dass die Leute zu Ihm kamen. Wenn sie Ihn sehen wollten, ging Er auch oft zu ihnen.
Während ‘Abdu’l-Bahá in Paris weilte, wollten der japanische Botschafter in Madrid und seine Gattin Ihn unbedingt sehen, aber die Dame fühlte sich nicht wohl.
„Es tut mir so leid", sagte sie, „dass ich heute abend nicht ausgehen kann. Meine Erkältung ist sehr schlimm, und morgen früh müssen wir wieder nach Spanien zurückfahren. Wenn es doch nur möglich wäre, ‘Abdu’l-Bahá zu sehen!"
Dies wurde ‘Abdu’l-Bahá mitgeteilt, und obwohl Er nach einem langen, anstrengenden Tag sehr spät nach Hause gekommen war, meinte Er: „Sagt der Dame und ihrem Gatten, dass ich sie, wenn sie nicht kommen können, gerne besuchen würde."
Und so ging ‘Abdu’l-Bahá abermals in die Kälte und in den Regen hinaus. Freundlich lächelnd kam Er in das Hotel, in dem der Botschafter wohnte.
Dort sprach Er über Dinge, die das japanische Ehepaar besonders interessierten, über die Lebensbedingungen in Japan, über die große internationale Bedeutung des Landes, den Dienst an der Menschheit und die Notwendigkeit, auf Krieg zu verzichten. Er sagte, es sei notwendig, die Lebensbedingungen der Arbeiter zu verbessern und Jungen wie Mädchen gleich gut auszubilden. Er sprach über Religion und Wissenschaft als von zwei Flügeln, mit deren Hilfe die Menschheit in der Lage sei, zu großen Höhen zu gelangen. Er sagte auch, dass eine große Kraft existiere, die jedoch noch nicht entdeckt sei. Wir sollten zu Gott beten, damit diese Kraft nicht eher entdeckt wird, als bis die Menschen geistig reif sind, da diese Kraft in den Händen der Menschen ohne entsprechende Reife in der Lage sei, die ganze Erde zu zerstören.
‘Abdu’l-Bahá sprach über dies und viele andere wichtige Dinge. Seine Zuhörer wunderten sich: „Wie ist es möglich, dass jemand, der sein ganzes Leben in einem östlichen Gefängnis verbringen musste, die Probleme der Welt so gut versteht und die Gabe hat, diese mit Weisheit ganz einfach zu lösen!"(Blomfield, S. 183)



‘Abdu’l-Bahá verschenkt Seine Kleider
Während Abdu'1-Bahá in Dublin weilte, wohnte Er in einem kleinen Hotel. Eine Dame, die dort ebenfalls abgestiegen war, erzählte folgende Geschichte:
Eines Morgens sah sie aus dem Fenster und beobachtete, wie ‘Abdu’l-Bahá auf und ab ging und Seinem Sekretär diktierte. Während sie zusah, kam ein alter Mann in sehr armseliger, schmutziger Kleidung vorbei. ‘Abdu’l-Bahá schickte Seinen Sekretär, Ihn herzurufen.
Als der Mann kam, ging ihm ‘Abdu’l-Bahá entgegen, um ihn zu grüßen. Er nahm seine Hand und lachte ihn an, als begrüßte Er einen alten Freund, Dann sprach Er eine Zeitlang mit ihm und versuchte ihn aufzuheitern. Schließlich lächelte der Mann, wenn auch traurig. Während ‘Abdu’l-Bahá mit ihm sprach, sah Er, dass von den dürftigen Lumpen, die der Alte anhatte, die Hose so abgetragen war, dass sie kaum den Leib bedeckte. „Hier muss etwas getan werden", sagte Er. Die Straße war leer, weil es noch früh am Morgen war. Mit einem Lächeln trat ‘Abdu’l-Bahá in den Schatten einer Mauer und begann, unter Seinem Mantel die Hose zu lösen. Er zog sie aus, band Seinen Mantel fester um sich, wandte sich dem alten Mann wieder zu und gab ihm Seine Hosen. Gott sei mit dir", sagte Er. Dann wandte Er sich Seinem Sekretär zu und diktierte weiter, als sei nichts Außergewöhnliches geschehen.


Alle Menschen sind eine Familie
‘Abdu’l-Bahá betrachtete jeden, den Er traf, als Mitglied Seiner eigenen Familie. Als Er eines Tages in England im Kreise zweier Damen saß, sagte eine zu Ihm: „Meister, hast Du keine Sehnsucht, nach Haifa zurückzukommen, um mit Deinen Lieben wieder vereint zu sein?" ‘Abdu’l-Bahá lächelte und sagte: „Ich möchte, dass ihr versteht: ihr seid beide meine Töchter, und ihr seid mir genauso lieb wie meine Tochter in Haifa!“ Die Damen trauten ihren Ohren kaum und waren verwundert, dass sie einer so hohen Stufe wert sein sollten. Sie begannen zu begreifen, was Bahá’u’lláh mit der Einheit der Menschen meinte — dass alle Menschen gleichsam Mitglieder derselben Familie sind.


Gesegnet sind die Kinder
‘Abdu’l-Bahá liebte alle Kinder. Eines Tages war Er mit einigen Bahá’í-Freunden nach East Sheen in London zu einer Familie mit drei Kindern eingeladen. Im Nu waren die Kinder auf Seinen Schoß geklettert und hingen an Seinem Hals. Als Er aber anfing zu sprechen, wurden sie mäuschenstill.
Wahrend Er sprach, strich Er dem Kleinsten übers Haar. Er sagte: „Gesegnet sind die Kinder, von denen Seine Heiligkeit Christus sagte: ,So wie sie ist das Himmelreich’. Kinder Haben keinen weltlichen Ehrgeiz. Ihre Herzen sind rein. Wir müssen wie die Kinder werden. Wir müssen unsere Herzen reinigen, so dass wir Gott in Seinen großen Manifestationen erkennen und entsprechend Seinen Gesetzen leben, die uns Seine Boten gebracht haben.“
Später am Tage machten alle einen Spaziergang im Richmond Park. ‘Abdu’l-Bahá beobachtete ein Pony-Rennen zwischen einigen Buben und einem Mädchen. ‘Abdu’l-Bahá freute sich besonders, als das Mädchen das Wettrennen gewann. Er rief dem Kinde zu: „Bravo! Bravo!“
„Bist du glücklich“
‘Abdu’l-Bahá wollte immer, dass die Menschen glücklich sind. Er zeigte diesen Wunsch auf vielfältige Weise. Oft fragte Er die Menschen: „Geht es dir gut? Bist du glücklich?"
Es war in London, als Er eines Tages herzhaftes Lachen aus der Küche hörte. ‘Abdu’l-Bahá ging sofort dorthin, woher das Lachen kam. „Dass ihr so glücklich seid, gefällt mir", sagte Er. „Erzählt mir, über ihr so gelacht habt." Der persische Diener hatte der englischen Haushälterin erklärt:
„Im Osten tragen die Frauen Schleier und verrichten alle Arbeiten, worauf die Haushälterin antwortete: „Im Westen tragen die Frauen keinen Schleier und achten darauf, dass die Männer wenigstens etwas mitarbeiten - sieh zu, dass du mit dem Silberputzen weiterkommst ‘Abdu’l-Bahá musste herzlich lachen; Er schenkt jedem Anwesenden eine kleine Goldmünze.


Keine Seele darf verletzt werden
Als ‘Abdu’l-Bahá in London weilte, wollte eines Tages eine Frau Ihn besuchen. Die Person, die sie in der Empfangshalle um Erlaubnis bat, Ihn sehen zu dürfen, fragte: „Haben Sie denn eine Verabredung?“ Die Frau war aber nicht angemeldet. „Dann tut es mir leid", erhielt sie zur Antwort, „aber Er ist sehr beschäftigt mit wichtigen Persönlichkeiten; man kann Ihn jetzt nicht stören."
Die Frau wandte sich ab, sie war zu bescheiden, um wegen eines späteren Treffens zu fragen, aber sie war sehr enttäuscht. Sie ging die Treppe hinunter und wollte gerade das Haus verlassen, als ein Bote ‘Abdu’l-Bahás herbeieilte. „’Abdu’l-Bahá will Sie sprechen“, sagte er. „Sie müssen mit mir zurückkommen. Er hat mich beauftragt, Sie zu Ihm zu bringen."
Jeder im Haus hatte die Stimme ‘Abdu’l-Bahá vernommen: „Ein Herz ist verletzt worden, schnell, schnell, bringt die Frau zu mir!“


Der unerwartete Besuch eines Reporters
In London hatten eines Tages einige Freunde, zwei Damen aus Schottland und die Gastgeberin, Frau Blomfield, es eingerichtet, gemeinsam mit ‘Abdu’l-Bahá einen ruhigen Abend zu verbringen, was nur sehr selten möglich war. Die Freunde freuten sich sehr, ‘Abdu’l-Bahá einmal ganz für sich zu haben. Aber nach etwa einer halben Stunde wurde das Zusammensein durch einen Zeitungsreporter gestört, der sich an den Dienern vorbei Eintritt verschafft hatte. Der Reporter kam in den Raum, setzte sich in einen Sessel, zündete sich, ohne vorher zu fragen, eine Zigarette an und sagte zu ‘Abdu’l-Bahá : „ Ich schreibe einen Artikel für die Zeitung und möchte von Ihnen einige interessante Dinge hören!“
Er redete immer weiter, und die anwesenden Damen waren sprachlos ob dieser Dreistigkeit. Dieser Mann brachte alle Pläne für einen geruhsamen Abend durcheinander.
Nach einer Weile stand ‘Abdu’l-Bahá auf und machte dem Reporter ein Zeichen, Ihm zu folgen. Beide verließen den Raum und gingen in das Zimmer ‘Abdu’l-Bahás. Sobald ‘Abdu’l-Bahá die Freunde verlassen hatte, wurde es still im Raum. Sie sahen sich an und stellten fest, dass zwar der Störenfried weg war, aber auch ‘Abdu’l-Bahá.
Die Gastgeberin überlegte, was man tun könne. Sie ging zur Tür von ‘Abdu’l-Bahás Zimmer und bat den Sekretär: „Sagen Sie bitte ‘Abdu’l-Bahá, dass die Damen, mit denen der Termin vereinbart war, auf Ihn warten.“
Dann ging sie zu ihren Gästen zurück und sie warteten. Bald vernahmen sie Schritte auf dem Flur, an der Tür hörten sie dann freundliche Abschiedsworte, und ‘Abdu’l-Bahá kam zu ihnen zurück.
Die Freunde freuten sich darauf, Ihn wieder bei sich zu haben. Aber als ‘Abdu’l-Bahá in der Tür erschien, sah Er sie alle mit ernster Miene an und sprach: „Ihr habt diesen armen Mann in arge Verlegenheit gebracht, weil ihr so sehr wünschtet, dass er schnell geht. Ich habe ihn weggeführt, damit er sich wohlfühlen konnte!“


Wie ein Verzweifelter neuen Lebensmut bekam
Eines Tages in London war einmal die Stimme eines Mannes an der Eingangstür zu hören: „ist die Dame des Hauses anwesend?“
Der Diener antwortete: „Ja, aber..."
„O bitte, ich muss sie sprechen", rief der Mann. Die Dame hörte das und kam zur Tür.
„Sind Sie die Gastgeberin ‘Abdu’l-Bahás?" fragte der Besucher.
„Ja, Sie wünschen, mich zu sprechen?"
„Zu diesem Zweck bin ich 30 Meilen zu Fuß hierher gekommen", antwortete der Mann.
„Kommen Sie herein und ruhen Sie sich aus. Wenn Sie etwas gegessen haben, können Sie mir alles erzählen."
Der Mann betrat das Zimmer und setzte sich an den Tisch. Er sah aus wie ein Vagabund, ein armer Bettler. Aber während er sprach, merkte man, dass etwas Besonderes an ihm war. Er begann seine Geschichte zu erzählen.
„Ich war nicht immer so, wie Sie mich jetzt sehen. Mein Vater war Landpfarrer, und ich konnte auf eine gute Schule gehen. Heute habe ich kein Zuhause mehr. Ich schlafe am Ufer der Themse. Wie ich soweit gekommen bin, ist nicht wichtig. Gestern abend hatte ich beschlossen, meinem vergeblichen, verhaßten, für Gott und die Menschen nutzlosen Leben ein Ende zu setzen. Während ich den Gang tat, der mein letzter sein sollte, kam ich an einem Zeitungsladen vorbei, und mein Blick fiel auf ,ein Gesicht' im Fenster. Ich blieb wie angewurzelt stehen und sah nur dieses Gesicht an. Es schien, als spreche es mich an und riefe mich zu sich."
Er hatte die Zeitung bei sich, das Bild zeigte Abdu'1-Bahá.
Der Mann fuhr fort: „Ich las in der Zeitung, dass Er hier in diesem Hause ist und sagte mir: ,Wenn dieser Mann wirklich auf dieser Erde sein sollte, werde ich meine Meinung ändern und ein neues Leben beginnen.' Daraufhin machte ich mich auf den Weg hierher, um Ihn zu finden. Ist Er hier? Wird Er mich sehen wollen? Selbst einen Menschen wie mich?"
„Natürlich wird Er Sie sehen wollen; kommen Sie zu Ihm", sagte die Dame.
Als die Dame an die Türe klopfte, öffnete ‘Abdu’l-Bahá selbst und streckte die Hände aus, als ob Er einen lieben Freund erwartet hätte.
„Willkommen, herzlich willkommen", sagte Er. „Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind. Setzten Sie sich."
Der arme Mann sank auf einen Schemel zu Füßen des Meisters. Er zitterte so sehr, dass er nicht in der Lage war, auch nur ein Wort hervorzubringen.
„Sei glücklich, sei glücklich!" sagte ‘Abdu’l-Bahá, hielt seine Hand und strich sanft über den gebeugten Kopf. ‘Abdu’l-Bahá lächelte ihn liebe- und verständnisvoll an und fuhr fort: „Sei nicht bekümmert, wenn Demütigung über dich kommt. Die Gnade und Macht Gottes sind ohne Grenzen für jede, ja für jede Seele auf der Welt. Suche nach geistiger Freude und nach Erkenntnis; dann wirst du, wenn du auch auf dieser Erde wandelst, im Reiche Gottes wohnen. Wenn du auch arm bist, kannst du doch reich sein im Reiche Gottes."
Diese und andere Worte des Trostes, der Stärke und der Heilung wurden diesem Manne zuteil. Langsam schienen die Wolken des Kummers in der Wärme der liebenden Anwesenheit Abdu'1-Bahás hinwegzuschmelzen.
Als sich der fremde Mann erhob, um von Dem, den er gesucht und gefunden, wieder zu scheiden, lag ein neuer Ausdruck auf seinem Gesicht. Er stand nicht mehr gebückt, sondern aufrecht; seine Schritte waren fest und zielgerichtet. Er wandte sich an die Dame und bat: „Bitte, schreiben Sie mir Seine Worte auf. Ich habe alles bekommen, was ich erwartete und noch viel mehr."
„Und was werden Sie nun tun?" fragte die Dame.
„Ich werde auf den Feldern arbeiten. Ich kann verdienen, was ich für meinen Lebensunterhalt benötige. Wenn ich genug gespart habe, werde ich ein Stück Land kaufen, ein kleines Haus darauf bauen, in dem ich leben kann, und werde Blumen für den Markt anbauen. Denn, wie Er sagt: ,Armut ist unwichtig, Arbeit ist Gottesdienst.' Ich muss Ihnen sicher nicht sagen, wie dankbar ich bin. Leben Sie wohl!"
Damit war der Mann verschwunden.( Blomfield, S. 159 f)

Die Lampe und das Licht
Während Seiner Besuche im Westen gab es viele Versuche, ‘Abdu’l-Bahá zu fotografieren. Überall an den Türen lauerten Leute mit Kameras und warteten auf die Gelegenheit, Bilder zu machen. Einmal fragte die Gastgeberin einen Zeitungsfotografen: „Finden Sie es sehr höflich, darauf zu bestehen, einen Gast aus einem fernen Land gegen seinen Willen zu fotografieren?"
„Nein, gnädige Frau", war die Antwort, „aber wenn ein anderer zum Zuge kommt und ich nicht, wird mein Chef denken, ich sei eine Null."
Als man ‘Abdu’l-Bahá von diesem Gespräch berichtete, lachte Er herzlich und meinte: „Wenn schon Fotos sein müssen, dann sollten es wenigstens gute sein. Die Bilder in der Zeitung sind wirklich schlecht!"
Daraufhin stimmte Er mit huldvollem Lächeln zu, fotografiert zu werden. „Um die Freunde zufriedenzustellen" sagte Er. „Aber ein Bild von sich zu besitzen, ist recht unwichtig. Das Bild zeigt die Person, und diese ist nur die Lampe. Das Wesentliche ist das Licht, das in dieser Lampe brennt." Und das kann man auf keinem Bild sehen.(Blomfield, S. 164 f)
Geschenke für die Armen
Abdu'1-Bahá nahm grundsätzlich keine Geldgeschenke an, aber kleine Aufmerksamkeiten wie ein Taschentuch, ein Kasten Pralinen, ein Korb mit Früchten oder ein Blumenstrauß, machten Ihm Freude. Derartige Geschenke nahm Er mit einem freundlichen Dank entgegen, um sie gleich weiterzuschenken. Jeder liebte es, von ‘Abdu’l-Bahá beschenkt zu werden. Sogar ein persischer Prinz hielt ein Paar weicher, roter Lederpantoffeln, die er von ‘Abdu’l-Bahá in London erhalten hatte, in hohen Ehren.


Eines Tages übergab eine Dame einen Scheck mit folgenden Worten: „Ich überreiche Ihnen diesen Scheck von einem Freund, der Sie bittet, sich für Ihre Arbeit in England und Europa ein gutes Auto zu kaufen." ‘Abdu’l-Bahá antwortete darauf: „Ich nehme dieses Geschenk Ihres Freundes dankbar an." Er nahm den Scheck in beide Hände, als ob Er ihn segnen wollte, und sagte dann: „Hiermit gebe ich Ihnen diesen Scheck zurück, damit von diesem Geld Geschenke für die Armen gekauft werden können."(Blomfield, S. 157)


Das Geschenk des armen Bahá’í-Arbeiters aus Ishqábád
Ein Bahá’í in Ishqábád erfuhr eines Tages, dass ein reisender Bahá’í, der sich in der Stadt aufhielt, auf dem Weg nach London war und dort ‘Abdu’l-Bahá sehen werde. Er wollte dem Meister gern ein Geschenk zukommen lassen, war aber so arm, dass er nichts hatte als das einfache Essen, das er in ein Tuch eingeschlagen bei sich trug. Er bat den Reisenden, dies dem Meister als Zeichen seiner Liebe zu bringen.
Viele Tage vergingen, bis der Reisende London erreichte. Dort kam er zu ‘Abdu’l-Bahá , als dieser sich gerade mit einigen Gästen zu Tisch setzte. Er übergab ‘Abdu’l-Bahá das Geschenk des Arbeiters. ‘Abdu’l-Bahá öffnete das Tuch. Darin lagen ein Stück trockenes Schwarzbrot und ein verdorrter Apfel. Was tat ‘Abdu’l-Bahá damit? Er brach das Brot in Stücke und bat die Gäste, mit Ihm das Mahl des Arbeiters zu teilen. „Esst mit mir diese köstliche Gabe seiner ergebenen Liebe", sagte Er. Das für Ihn zubereitete Essen ließ Er unberührt stehen. (Blomfield, S. 161 f)



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